Buch FOMO: Die Angst, etwas zu verpassen
Limitierte Farbschnitte, exklusive Ausgaben und kontrovers diskutierte Neuerscheinungen dominieren Bookstagram und BookTok – und lösen nicht selten das Gefühl aus, jedes Buch sofort kaufen zu müssen. Allein schon, um mitreden zu können. Klarer Fall von Buch FOMO. Aber müssen wir wirklich bei jedem Trend dabei sein? Ein Blick auf die Hype-Kultur und sieben Tipps, um der FOMO-Falle zu entkommen.
Von der Angst, nicht dabei zu sein
Januar 2025. Ich scrolle durch Instagram und sehe schwarz. Nicht etwa, weil mein Handy den Geist aufgibt – Grund für die monochrome Optik dieser sonst so bunten App ist das anstehende Release-Datum von „Onyx Storm“. Ein Jahr lang hat die Bookstagram-Community nach dem Cliffhanger in Band zwei auf die Fortsetzung der „Flammengeküsst“-Reihe hingefiebert. Jetzt ist es endlich so weit: Der Hype um die düstere Romantasy-Geschichte von Rebecca Yarros ist allgegenwärtig. Kommentare wie „Habe ich in einer Nacht verschlungen“ finden sich unter jedem zweiten Instagram-Reel.
Obwohl mein Stapel ungelesener Bücher (SuB) zu diesem Zeitpunkt bereits die Ausmaße eines Mittelgebirges angenommen hat, stehe auch ich am Release-Tag in der Buchhandlung. In den Händen halte ich stolz mein Exemplar der Drachen-Saga – natürlich mit angesagtem Farbschnitt! Schließlich will ich nicht diejenige sein, die beim nächsten Book-Talk betreten schweigt, während alle anderen über Drachenreiter und moralisch fragwürdige Schatten-Gebieter diskutieren.
Willkommen in meinem Alltag als FOMO-Sapiens – einer Spezies, die sich durch ihre panische Angst auszeichnet, womöglich etwas zu verpassen. Ein Begriff, den die österreichische Schauspielerin Valerie Huber Anfang des Jahres mit ihrem gleichnamigen Buch prägte. In 34 Essays seziert die Autorin das kollektive FOMO der Generation Social Media – sei es bei sozialen Events im Freundeskreis oder besagten Trend-Büchern.
All you can read
FOMO – die Fear of Missing out – ist eigentlich ein alter Hut, aber die Buchcommunity hat diesen Hut mit Glitzer bestäubt und ihm einen exklusiven Farbschnitt verpasst. Für Buchliebhaberinnen sind Plattformen wie Bookstagram und BookTok das literarische Äquivalent eines All-you-can-eat-Buffets: Alles sieht verlockend aus, man möchte überall zugreifen – auch wenn der Teller längst überquillt.

Kein Wunder, spielen uns die Algorithmen doch fortlaufend neue Must-Reads zu, die durch stimmungsvolle Rees und begeisterte Rezensionen viral gehen: „Das Ende hat mich emotional zerstört“, heißt es an der einen Stelle. Oder: „Dieser Roman hat mein Leben verändert!“ – und schon landet das nächste Buch in unserem virtuellen Warenkorb. Der selbst auferlegte Book Buying Ban? Vergessen! Stattdessen wächst unser SuB weiter in Richtung Stratosphäre, während wir uns fragen: Werde ich dieses Buch überhaupt jemals lesen? Egal, bis es soweit ist, macht sich der Neuzugang zumindest gut im perfekt inszenierten Bücherregal!
Don’t judge a Book by its Cover? Hier zählen die äußeren Werte!
Machen wir uns nichts vor: Besonders limitierte Ausgaben können eine regelrechte Kaufpanik in uns auslösen: Einmal vergriffen, für immer verloren! Also bestellen wir munter vor oder drücken in letzter Minute panisch auf den „Jetzt kaufen“-Button. Die Millenials unter uns erinnert das vielleicht an die nächtlichen Release-Partys der 2000er, als Scharen von Kindern und Jugendlichen die Buchhandlungen stürmten, um den neuesten Harry Potter zu ergattern. 20 Jahre später sind die Fantasy-Fangirls von damals erwachsen geworden. Heute jagen wir durchtrainierten Shadow Daddys statt schlaksigen Zauberschülern hinterher. Und anders als früher wird wahrscheinlich schon eine Woche später der nächste virale Hit auf der Bookstagram-Agenda stehen. Da muss man erst einmal den Überblick behalten!
Warum Bücherkaufen glücklich macht
Trotz aller Hektik, Buch FOMO und Schweißausbrüche beim Absolvieren der x-ten SuB-Abbau-Challenge bleibt eines unbestritten: Bücher kaufen macht glücklich! Die Japaner haben für dieses Phänomen sogar ein eigenes Wort erfunden: Tsundoku beschreibt das Horten ungelesener Bücher – ein Hobby, das viele von uns perfektioniert haben. Und ehrlich gesagt: Es gibt schlimmere Laster … Schließlich inspirieren uns Gemeinschaften wie Bookstagram immer wieder aufs Neue, sie bereichern unseren Lesealltag mit Neuentdeckungen und fördern den kreativen Austausch. Trotzdem bleibt eine Frage: Wie entkommen wir der Buch FOMO Falle?
7 Strategien gegen Buch FOMO
Falls dein SuB auch schon aussieht wie die Zugspitze der Literaturwelt, hier ein paar Tipps:
1. Bewusstsein schaffen
Überlege dir, was genau deine FOMO auslöst und wie du dich dabei fühlst. Brauchst du wirklich jedes virale Buch?
2. Wunschlisten statt Spontankäufe
Speichere Bücher zunächst auf einer Wunschliste und warte ein paar Wochen ab, während du noch ein anderes Buch (bestenfalls von deinem SuB) liest. Willst du das Buch immer noch haben: Dann hol es dir!
3. Offlinezeiten einplanen
Lege feste Zeiträume fest, in denen du dein Smartphone bewusst weglegst. Das reduziert den Einfluss von Social-Media-Trends und hilft, sich auf eigenen Interessen zu konzentrieren.
4. Dankbarkeit empfinden
Führe ein Dankbarkeitstagebuch, um dir bewusst zu machen, was du bereits hast – sei es ein tolles Buchregal oder ein erfüllender Lesemoment.
5. Realistische Erwartungen setzen
Akzeptiere, dass dass du niemals alle gehypten Bücher lesen kannst und setze Prioritäten. Konzentriere dich auf Genres oder Tropes, die dir wirklich wichtig sind, und etabliere deine eigene Leseroutine.
6. Buch-Community nutzen
Statt jedem Hype blind zu folgen, tausche dich mit anderen Buchliebhabern aus – sei es auf Bookstagram oder in einem Lesekreis. Oft erhältst du so Empfehlungen, die wirklich zu deinem Geschmack passen.
7. JOMO entdecken
Statt Angst vor dem Verpassen zu haben, genieße bewusst das „Joy of Missing Out“. Freue dich darüber, nicht jeden Trend mitmachen zu müssen.
Liebe deinen SuB!
Halten wir fest: Bücher kaufen macht glücklich – selbst wenn man sie (noch) nicht liest.
Am Ende geht es nämlich nicht darum, jedes Trendbuch in Rekordzeit zu verschlingen oder immer auf dem neuesten Stand zu sein, sondern um die Freude am Lesen … und manchmal auch einfach nur um die Freude am Besitzen schöner Bücher, die wir wie kleine Buchdrachen horten.
Also lass uns den nächsten Hype genießen und stolz auf unsere Sammlung sein. Denn wie heißt es so schön? Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei verschiedene Hobbys – und beide machen glücklich!


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